Beitrag über „Die Zeit ist reif für einen Wandel“

Es geht um die Zukunft der Schreinerei: Bei diesem morgendlichen Treffen in Kleinbottwar diskutieren (von links) Daniel Scholl, Luisa Mannsperger, Laura Scheich, Bernd Mannsperger (stehend), Mona Prömer, Nick Teschke und Lotte Schwanitz, was in dem Unternehmen gut läuft und was besser werden könnte.

„Die Zeit ist reif für einen Wandel“ 

Auszubildende und Gesellen befragen, anhören, einbinden, ihnen Verantwortung übertragen – auch so können Unternehmen Nachwuchs gewinnen und halten. Bernd Mannsperger stellt seine Schreinerei in Kleinbottwar für die Zukunft auf – und setzt dabei auch auf weiblichen Nachwuchs. 

Je älter Bernd Mannsperger wird, desto größer wird der Abstand zu der Generation, die neu in seine Schreinerei kommt. Zwischen dem 55-Jährigen und den jungen Leuten – Auszubildende und Gesellen – liegen nicht nur immer mehr Lebensjahre. Auch wächst die Kluft in einem anderen Bereich: Wie denken die Generationen über das eigene Unternehmen, wie sehen Junge und Ältere ihren Betrieb und die Arbeitswelt? Mannsperger geht das Thema offensiv an: „Ich will wissen, was junge Leute denken und was ihnen wichtig ist“, betont er im Gespräch. „Ich will wahrnehmen, wo sie das Unternehmen und sich selbst in der Zukunft sehen.“ Und er will wissen: „Wie muss unser Betrieb aufgestellt sein, damit junge Menschen ihre Zukunft bei uns sehen? Weil wir sie auch nach Ausbildung und Gesellenzeit behalten wollen.“ 

Deshalb versammelt sich der Chef an einem Donnerstag im Mai um 7 Uhr mit mehreren jungen Leuten in einem Besprechungsraum in Kleinbottwar. Dort führt Mannsperger seine 30 Jahre alte Schreinerei; Inhaber und Geschäftsführer ist er auch in seiner zweiten, etwas jüngeren Firma büroform in Murr. 

Die morgendliche Runde bezeichnet Mannsperger als Treffen der „New Generation“, einer neuen Generation. Rund um den Tisch sitzen die Schreinerei- Auszubildenden Laura Scheich (21, drittes Lehrjahr) und Lotte Schwanitz (20, zweites Lehrjahr) sowie Mona Prömer (21, zweites Gesellenjahr) und Nick Teschke (20, erstes Gesellenjahr). Auch Mannspergers Tochter Luisa (28) und Daniel Scholl (31), Leiter der Organisation und Arbeitsvorbereitung, sind dabei. In der Runde wird über einzelne Bereiche der Schreinerei diskutiert – vom Arbeitsplatz und Marketing über Organisation bis zu Produkten und dem Gemeinschaftsgefühl im Betrieb. Es geht auch darum, wie Ausbildungsinhalte, wie Kommunikation verbessert können. 

Auf gelben Zetteln werden „Top-Ideen“ des Treffens notiert (etwa ein „Azubi-Onlineshop“), auf grünen Zetteln Lösungen von Problemen („jeden Tag ab 15.30 Uhr ist der Wochenplan aktualisiert“), auf roten Zetteln Minuspunkte („Montagen verlängern sich ohne Ankündigung“). Luisa Mannsperger, als Innenarchitektin bei büroform angestellt, koordiniert die Diskussion, in der jede(r) etwas sagen und beitragen soll. Die Idee „Flächen neu denken“ etwa bedeutet, dass die Scheune auf dem Grundstück als zusätzliches Lager ausgebaut werden könnte. Zwei andere Ideen: Aus den Restbeständen von Rollcontainern, die in modernen Büros nicht mehr benötigt werden, könnte ein neues Produkt entstehen und vertrieben werden. Und, eher ein Wunsch als eine Idee: Die Schreinerei und büroform könnten räumlich und gedanklich näherrücken. Dann könnten sogar beide Weihnachtsfeiern zusammengelegt werden. 

Aus den Ideen und Vorschlägen auch dieses Tischkreises – weitere sollen folgen – schält sich das künftige Bild eines Betriebs heraus, in dem „die Zeit reif ist für einen Wandel. Es ist Zeit, eine neue Generation heranzulassen, um in die Zukunft zu kommen“, sagt Mannsperger. Der gebürtige Marbacher ist Chef von 20 Schreinerei-Mitarbeitern. Früher sei er eine Art „Alleinherrscher“ gewesen, „viel ist in alten Strukturen versickert“. Jetzt aber sollen die jungen Leute mehr Verantwortung übernehmen. „Ihr sollt über eure Zukunft mitentscheiden können“, sagt er. 

Dafür muss diese „Neue Generation“ aber auch im Betrieb gehalten werden. Früher machten fertig Ausgebildete woanders weiter, etwa als Bauzeichner oder Innenarchitekten. Das ändert sich derzeit: Laura Scheich will in ihrem Ausbildungsbetrieb bleiben, Mona Prömer ist schon geblieben und jetzt Gesellin. Alle Azubis – zu ihnen gehören auch Sanja Zivaljevic (erstes Lehrjahr) und eine junge Frau, die im September in der Schreinerei beginnt – sind momentan weiblich. „Ich möchte, dass die neue Generation in unserer Schreinerei auch von Frauen mitbestimmt wird“, sagt Mannsperger. Und: „Ich will wissen, was ihnen wichtig ist. Frauen sehen und denken manche Dinge anders als Männer.“ Zumal der Schreinerberuf „immer attraktiver für Frauen“ werde – beispielsweise wegen ergonomischerer Arbeitsplätze und besserer, rücken- und haltungsfreundlicherer Arbeitsbedingungen als früher, so Mannsperger.

Was sagen die jungen Frauen selbst bei dem Treffen? Den Austausch loben sie, den Chef ebenso – auch dafür, dass er „offen für neue Ideen ist“. Daraus könne sich „Gutes entwickeln“. Die gute Zusammenarbeit mit den älteren Kollegen in dem Betrieb hebt der Nachwuchs ebenso hervor. 

Später, in einem Gespräch während ihrer Pause, erzählen die jungen Leute (Nick Teschke ist der einzige Mann in der Runde), was ihnen in der Schreinerei gefällt: körperlich und mit den Händen arbeiten, nicht acht Stunden in einem Büro vor dem Computer sitzen, am Ende des Tages sehen, was man gemacht hat.

 Außerdem: Holz sei ein warmes Material und gut zu verarbeiten, man könne hobeln, sägen, bearbeiten und Werkstücke komplett allein produzieren. Laura beispielsweise hat eine Ecksitzbank für eine Gartenhütte gefertigt, Mona einen Raumtrenner als kleine Schrankanlage und mit LED-Beleuchtung.

Arbeiten gern im Handwerk: (von links) Mona Prömer, Lotte Schwanitz und Laura Scheich.

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„Ich möchte, dass die neue Generation in unserer Schreinerei auch von Frauen mitbestimmt wird.“

Bernd Mannsperger, Unternehmer

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Fotos: Holm Wolschendorf